Von den Königsstädten zur Kasbah-Route, Winter 1962/63
Die Vielfalt zwischen Norden und Süden des Landes ist unbeschreiblich. Die Farbenpracht der weiss-blauen Städte im Norden, die eindrückliche Medina von Fès, die ständig wechselnden Farben der Wüste im Tageslicht, den schneebedeckten Hohen Atlas und die pulsierende Stadt Marrakesch.
Von Dezember 1962 bis April 1963 bin ich als Reiseleiter stationiert und begleite alle 2 Wochen die “Grosse Marokko-Rundreise”. Während all diesen Reisen ist die Vielfalt allgegenwärtig, aufgrund der klimatischen und meteorologischen Verhältnisse ständig wechselnd. Ich begleite die erste Gruppe der Wintersaison 1962/63 und wir landen am Abend in Rabat, dem Ausgangspunkt unserer 2-wöchigen „Grosse Marokko-Rundfahrt“.
Meknes ist unser erstes Ziel, eine der Königsstädte und wir sind fasziniert, was uns diese Stadt offenbart: die kaiserliche Festung des damaligen Herrschers Moulay Ismail, die Gärten mit prachtvoller, üppiger Flora, das imposante Tor „Bab el Mansour“ sowie die Souks und Marktgalerien. Ich bin gefangen von der einmaligen Ambiance, fühle mich in einer vollkommen anderen Welt und „unsere Zivilisation“ scheint weit weg zu sein. Wir bestaunen die Kunsthandwerk-Erzeugnisse der Berber mit ihren geometrisch gemusterten Teppichen, Stickereien aller Art und Holzmalereien usw.
Unterwegs bestaunen wir die Lage der heiligen Stadt der Muselmanen, Moulay Idriss mit seinen ineinander geschachtelten Häusern an einem Abhang.
Vorbei an der römischen Ruinenstadt Volubilis sind wir bald in Fes und beziehen am nächsten Abend im Hotel Palais Jamai unsere märchenhafte Unterkunft.
Fes ringt mit Marrakech um die Palme, die bezauberndste Stadt Marokkos zu sein. Eingebettet in sanfte, von Olivenhainen überwachsene Hügel liegt Fes unter einem Himmel, der ein milderes Licht ausstrahlt, als über den Städten des Südens.
Auf unserer Besichtigung sehen wir wahre Prachtbauten im hispano-maurischen Stil sowie verschiedene Moscheen und spazieren durch die farbenprächtigen Souks und Märkte. Ich kann mich nicht genug sattsehen an dieser Pracht.
Mit dem Col du Zad überqueren wir den Mittleren Atlas (2178 m.ü.M.) auf dem Weg nach Süden, essen im Karawanserei-Ort Midelt zu Mittag, bevor wir über den Hohen Atlas ins imposante Ziz Tal gelangen. Ein endlos grünes Band von Palmenhainen und reichen Feldern ziert die Sohle dieses schluchtartigen Tales – ein überwältigender Eindruck.
Die Reise geht weiter dem Flusslauf entlang und wir erreichen am Abend Erfoud am Rande der Sahara. Wir sind überrascht über den Komfort unseres „Grand Hotel du Sud“, den wir in dieser Gegend nicht erwartet haben. Der Markt ist faszinierend und die Gegensätze zu unserer Welt sind einmalig.
Wir reisen weiter nach Süden zum letzten Vorposten der Sahara, Rissani, wo wir durch den Markt schlendern und die Nähe der Sahara mit den ersten Sand-Dünen auf Schritt und Tritt fühlen.
Die Kasbah-Route im Süden
Die Fahrt dem Südhang des grossen Atlas entlang bis Tinerhir ist beeindruckend. Mittagessen in einem Hotel, hoch über den sieben Kasbahs thronend mit einem grossartigen Blick auf die Palmenhaine.
Wir fahren hinein in die imposante Todra-Schlucht, wo sich steile Felsen emportürmen, so dass man kaum den Himmel erblicken kann.
Zwischen Tinerhir und Ouarzazate sind wir im Herzen der „Route des Kasbahs“. Es reiht sich Kasbah an Kasbah, diese festungsähnlichen altertümlich anmutenden maurischen Siedlungen, umgeben von prächtigen Palmengärten, die uns ins Märchenreich von „Tausend und einer Nacht“ versetzen.
Ein unerwarteter Höhepunkt: Das Rosen-Festival der Berber
Auf meiner letzten Reise im April 1963 werden wir in einem Dorf zwischen Tinerhir und Ouarzazate überraschend Zeugen eines einzigartigen Festes der Einheimischen: das Rosen-Festival.
Die Berber und Berberinnen kommen von weit entlegenen Siedlungen stundenlang zu Fuss zu diesem Fest in ihren schönsten Kostümen, die Frauen schwer behangen mit riesengrossen Bernstein-Colliers und alles begleitet mit viel Musik. In der Ferne sehen wir die schneebedeckten Berge des Hohen Atlas und in der Nähe die vielen blühenden Rosensträucher. Was für ein kontrastreiches Bild.
Ein unwahrscheinliches Glück haben wir, diesem einmaligen Fest beiwohnen zu können. Wir wären gerne noch länger geblieben, aber wir werden zum Mittagessen in Ouarzazate erwartet. Alle Teilnehmer sind von dieser einmaligen Ueberraschung tief beeindruckt.
Ueber den Hohen Atlas nach Marrakech
Wir nähern uns wieder dem Hohen Atlas und eine kaum fassbare Farbenpracht offenbart uns eine stets wechselnde Szenerie.
Hier bekommen wir die riesigen landschaftlichen Gegensätze Marokkos vor Augen geführt. Bunte Täler wechseln mit bizarren Bergformationen, bis wir den 2270 m hohen „Tizi n’Tichka“ erreichen, wo die Strasse und die umliegenden Berge in den Wintermonaten noch schneebedeckt sind. In eleganten Windungen gehts auf der Nordseite talwärts bis wir schlussendlich in der ältesten Königsstadt eintreffen.
Marrakesch
Die Koutoubia mit seinem 77 m hohen Minarett, umgeben von Palmengärten, ragt im Süden über den Platz Djemaa El Fna und zusammen bilden sie die Wahrzeichen für Marrakesch.
Die Souks in der Medina sind die größten des Landes. Hier findet man einzigartige Holzkunstwerke, bunte Stoffe, filigrane Mosaiklampen, arabische Teppiche, orientalische Gewürze, hochwertige Lederwaren und vieles mehr. Alles handgefertigt.
Und immer wieder eröffnet sich ein phantastischer Blick auf die Schneeberge des Hohen Atlas im Hintergrund.
Das Ende unserer Reise ist Casablanca, die grösste Stadt Marokkos. Von unserer Unterkunft im Badeort Mohammedia statten wir noch der Hauptstadt, Rabat, einen Besuch ab. Die grossartige Rundsicht vom Hassan Turm ist beeindruckend.
Diese faszinierende, imposante und eindrückliche Rundreise lässt mich jedesmal, wie auf der ersten Reise, begeistern.
Ich verabschiede meine Kunden jeweils am Flughafen in Casablanca am frühen Morgen, fahre gleichentags nach Rabat und empfange am Abend meine nächsten „Schäfchen“ – und los gehts wieder auf die nächste zweiwöchige Rundreise.