Karneval Rio de Janeiro, 1975 & 1978
Unsere Ankunft in Rio ist bereits mitten im Karneval-Fieber. Wir wohnen in einem Hotel in der Nähe der Copacabana und schon an unserem ersten Abend können wir in Nebenstrassen kleinen Karnevals-Umzügen spontan beiwohnen. Man wird sofort von dieser einmaligen Ambiance gefangen genommen und wir können es kaum erwarten, dem grossen Karnevals-Umzug am nächsten Tag beiwohnen zu können.
Strassenumzüge
Jedes Quartier hat seine Strassen-Bandas – Musikgruppen – und es sind in Rio über 300 an der Zahl. Jede Band hat seinen Platz oder Strasse, wobei für grössere Gruppen meist die Strassen für den Verkehr gesperrt werden. Diese kleineren und grösseren Umzüge starten teils bereits im Januar und bis zum Ende des Karnevals. Als Tourist kann man hinter einer diesen Bandas mittanzen, wozu es keine Kostüme braucht.
Der phänomenale Karnevals-Umzug
Jeder kennt den Karneval von Rio als vermutlich grösste Party der Welt. Die Hauptparade der Samba-Schulen findet im Stadtzentrum in der Rio Branco statt. An zwei Abenden treten unzählige Samba-Schulen auf und die jeweils sechs besten Schulen qualifizieren sich für das grosse Finale der zwölf Spitzen-Samba-Gruppen.
Es sind riesige Gruppen mit Trommlern, Hunderten von Tänzern in unglaublich farbenfrohen und phantasievollen Kostümen und gut einem Dutzend riesigen Festwagen. Und jede Gruppe hat ihren Samba-Song, der schon Wochen im voraus im Radio gespielt wird, sodass am Umzug die Bevölkerung stimmgewaltig mitsingen kann.
Wir haben abends um sechs Uhr unseren nummerierten Sitzplatz auf der Tribüne eingenommen, unweit der Jury-Tribüne, was bedeutet, dass unmittelbar davor angehalten wird und die Samba-Gruppen sich doppelt anstrengen, um von der Jury positiv bewertet zu werden. Die Tribüne erstreckt sich auf der ganzen Länge der Parade und zwar auf beiden Seiten der Strasse. Im Laufe des Abends ist dann kein freier Platz mehr auszumachen.
Aufgrund eines Geheimtipps meines Schweizer Kollegen Rolf von der lokalen Agentur haben wir vom Hotelzimmer ein grosses Kissen mitgenommen, das uns für die Nacht auf den harten Holzbänken besseren Sitzkomfort geben wird.
Der Samba-Rhythmus und die Gesänge lassen einem die ganze Nacht nicht los. Aber bald wird es Nacht, die Strassenlampen werden angezündet und die über die Strasse aufgehängten, grossen und kleineren farbenfrohen Gebilde – ähnlich wie grosse Lampions – erstrahlen nun in vollem Licht.
Die unterschiedlichsten und phantastischen Kostüme faszinieren fast noch eindrücklicher als bei Tageslicht. Die Samba-Schulen haben so klingende Namen wie Mangueira, Salgueiro, São Carlos, Portela, Império Serrano usw. usw. Ein unglaubliches, permanentes Spektakel und es gibt kaum Pausen zwischen den Gruppen.
Und plötzlich – man realisiert gar nicht wie die Zeit vergeht – wird es langsam wieder hell und wir sitzen immer noch auf unserem „gepolsterten“ Sitz, hingerissen und fasziniert wie bei der ersten Gruppe.
Doch irgendwann ist auch die letzte Gruppe an unserer Tribüne vorbeigezogen. Es ist inzwischen sieben Uhr morgens und wir verlassen unseren Platz und zwängen uns im dichten Gedränge – das Bett-Kissen (vom Hotel) als zusätzlichen Puffer vor der Brust, um nicht erdrückt zu werden – zum Ausgang, noch völlig im Samba-Delirium der letzten 13 Stunden.
Was für eine grossartige, eindrückliche Parade und wir sind überwältigt von den gewaltigen Eindrücken während der ganzen Nacht. Dimensionen, die wir hier in Europa und schon gar nicht in der Schweiz nicht einmal ansatzweise vorstellen können. Einfach gewaltig.
Mein 2. Karneval in Rio de Janeiro 1978
Im Anschluss an die Tourismus-Börse in Lima und Inspektionsreise in den peruanischen Amazonas will ich die Gelegenheit nicht verpassen – wenn schon wieder in Südamerika – den fabelhaften «Carnaval do Rio» drei Jahre später noch intensiver erleben zu können. Statt von La Paz direkt zurück in die Schweiz fliege ich nach Rio de Janeiro anfangs Februar für drei Tage.
Ich bin am Vorabend des Umzugs in Rio angekommen und schon auf der Fahrt ins Hotel, wieder an der Copacabana, spürt man förmlich das Karnevalsfieber wie in einem Delirium. Ich kann es kaum erwarten.
Dieses Schauspiel, diese Faszination noch einmal zu spüren, ist fast noch intensiver als beim ersten Mal. Ich sehe noch mehr Details bei den einzelnen Samba-Gruppen auf der Parade, weil auf der ersten Reise das Gesamtbild überwältigend war und gar keine Zeit verblieb, um auf interessante Einzelheiten zu achten.
Man stelle sich die Intensität nur vor: Ich bin wieder abends um sechs Uhr auf einem guten Tribünenplatz und während der ganzen Nacht ziehen die Samba-Schulen vorbei bis ich dann gegen sieben Uhr den Ort verlasse und zum Hotel zurückgehe.