Mit Wiener VIP-Gruppe in Indien, 1977
Vorgeschichte
Für Ende Februar/anfangs März 1977 plane ich eine ausgedehnte Inspektionsreise in Nepal. Zur gleichen Zeit organisiere ich für eine Spezial-VIP-Gruppe von Privatkunden aus Wien eine Indien-Reise.
Den „Chef“ der Gruppe habe ich als Reiseleiter erstmals auf einer Rundreise in Ceylon/Sri Lanka, zusammen mit seiner Frau, kennengelernt. Später sind wir uns wieder während meiner Stationierungszeit in Bangkok begegnet.
Einige Jahre später sucht er einen erfahrenen Reiseveranstalter, der für ihn und seine Freunde eine Spezialreise nach Papua Neuguinea organisieren soll. Er ruft bei Kuoni Zürich an und nachdem ich erst ein paar Monate zuvor von dort zurückkehrte, wurde das Telefon an mich weitergeleitet. Bei diesem Gespräch haben wir festgestellt, dass wir uns in Ceylon/Sri Lanka und Bangkok kennengelernt haben. So hat sich eine langjährige, enge Zusammenarbeit entwickelt und ich durfte viele einzigartige und exklusive Reisen für diese Kunden organisieren, die jedoch keine Reiseleitung benötigen, da es sich um reiseerfahrene Kunden handelt.
Ich reise daher öfters nach Wien, um mit dem Kunden die nächsten Reise-Projekte im Detail zu besprechen. Auch die jeweilige Übergabe der Reisedokumente findet anlässlich eines festlichen Dinners entweder in der Villa des Kunden oder im Hotel von einem der Teilnehmer statt. Bei dieser Gelegenheit kann ich für alle möglichen Fragen und Wünsche direkt Auskunft geben.
Für die Indien-Reise hat er Kenntnis von einem einzigartigen Jain-Tempel, 300 km nördlich von Bombay, der unbedingt ins Programm aufgenommen werden soll. Dieser Tempel ist mir bis anhin unbekannt. Ich sehe daher eine Möglichkeit, auf meiner geplanten Inspektionsreise nach Nepal für einige Tage diese Gruppe in Indien zu begleiten, um diesen Ort kennenzulernen. Ich informiere meinen Kunden und seine Frau über meine Pläne und bitte Sie um ihr Einverständnis, was sie umgehend bestätigen.
Ich bin einige Tage vorher schon in Bombay und begebe mich zum Flughafen, um die Gruppe bei der Ankunft persönlich begrüssen zu können. Da ich die TeilnehmerInnen von den Zusammenkünften kenne, sind natürlich alle überrascht, mich am Flughafen in Bombay zu sehen.
Das Reiseprogramm
Dieses sieht vor, von Bombay nach Bhavnagar und von dort direkt nach Aurangabad zu reisen. Ich miete deshalb eine für VIP-Passagiere umgebaute DC-3 von Safari Airways. Allerdings haben wir das Problem, dass die Strecke von Bombay nach Bhavnagar auch von der lokalen Indian Airlines bedient wird. Dadurch erhalten wir keine Flugerlaubnis und wir fliegen mit einem Linienflug, währenddem unsere gecharterte DC-3 leer nach Bhavnagar fliegen muss.
Palitana
Nach einer knappen Stunde landen wir in Bhavnagar und fahren gleich weiter bis nach Palitana, 51 km in südwestlicher Richtung. Die Stadt ist besonders wegen des Jain-Tempelkomplexes auf den nahegelegenen Shatrunjaya-Hills bekannt.
Der Aufstieg über 3500 Stufen zum etwa 600 m hoch gelegenen und von einer festungsartigen Mauer umgebenen Tempelkomplex dauert rund anderthalb Stunden.
Die lokale Agentur hat für uns eine bequemere Art als den beschwerlichen Weg zu Fuss organisiert:
Wir werden auf einer Sänfte von 2 Männern bis zum Tempel hinaufgetragen. Auf der einen Seite ein aussergewöhnliches Erlebnis, auf der andern Seite ist es uns doch nicht ganz wohl in unserer Haut, da wir uns in die Kolonialzeit zurückversetzt fühlen, wo die lokale Bevölkerung dem Kolonialherrn zu Füssen liegen musste!

Mir geht es gut, auch der Abstieg ist mühelos!
Oben angekommen, sind wir überwältigt vom Anblick dieser riesigen Tempelanlage. Sie nimmt eine ganze Bergspitze ein und umfasst heute etwa 850 Einzeltempel.
Die Vielfalt und architektonischen Varianten der Tempel faszinieren uns und wir stehen da und können nur staunen. Eine solch komplexe und eindrückliche Tempelanlage ist einmalig auf dieser Welt und ich bin überrascht, dass dieses Juwel im Westen – und bei uns in der Reisebranche – völlig unbekannt ist.
Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass wir weit und breit die einzigen westlichen Touristen sind. Auch die Anzahl indischer Besucher ist bescheiden.

Nur freundliche Gesichter strahlen uns “Fremden” entgegen
Ein Hinderungsgrund ist natürlich die Erreichbarkeit – nur von und nach Bombay möglich – und die fehlende Hotel-Infrastruktur vor Ort.
Zur Zeit der Entstehung dieses Buches hat sich die Situation jedoch grundlegend verändert. Palitana ist zu einem bedeutenden Pilgerort geworden, wie das in Europa etwa Lourdes und Fatima sind. Es gibt Hotels, Restaurants, Einkaufsläden und vieles mehr für die Besucherströme aus Indien.
Ich frage mich nur, wo denn diese ganze Infrastruktur hingebaut wurde – gut habe ich es im ursprünglichen Zustand besucht.