Zweimalige nächtliche Besteigung des Mt. Agung, 2013 + 2014
Auf meinen vielen Reisen nach Bali, beruflich und privat, hatte ich immer den Wunsch, diesen Vulkan einmal zu besteigen. Mit den Gruppenreisen war dies aus zeitlichen Gründen nicht möglich, sodass ich auf einer Privatreise mir diesen Wunsch endlich erfüllen konnte.
Meine 1. nächtliche Besteigung 2013 für den Sonnenaufgang
Meine Agentur holt mich am reservierten Tag im Ashram an der Südküste um 23.00 Uhr ab und wir sind nach knapp 2 Stunden beim Ausgangspunkt für die Besteigung, dem Pura Pasar Agung Tempel, dem höchst gelegenen Tempel in Bali (1500m). Ich treffe den Bergführer Wayan Widi Yasa, erhalte eine Stirnlampe und um 01.00 Uhr beginnt unser Aufstieg.
Erst durch üppige Vegetation, teils doch steil bergauf und Wayan fragt mich immer wieder, ob ich eine Pause einschalten möchte. Er kann sich einfach nicht vorstellen, dass ich die Besteigung in meinem Alter schaffen werde.
Nein, nein, sage ich zu ihm, er soll nur weitergehen und vielleicht in 1 Std. mal einen Halt einzuschalten. Er hat in seinem Rucksack auch entsprechend Getränke und Riegel.
Für mich erstaunlich, wie gut man in der stockdunklen Nacht mit der Stirnlampe so gut sehen kann, wobei ich immer relativ nah auf den Fersen von Wayan folge.
Weit unterhalb des Kraters verlassen wir die bisherige Kraterroute und es ist kein Weg mehr auszumachen, Wayan aber weiss genau, wo er durchgehen muss, da er vor 2 Jahren entdeckt hat, wie man von der Südroute bis zum Gipfel und nicht nur wie bisher nur bis zum Kraterrand kommt. Bei einem grösseren Felsen haben wir nur wenige Zentimeter, wo wir einen Fuss hinstellen können resp. wo wir uns mit den Fingern festkrallen können, ja, nur mit den Fingern, nicht mit der ganzen Hand. Langsam schiebe ich mich der nur ca. 10m langen Felswand entlang, wissend dass links von mir ein Abgrund ist, aber keine Ahnung habe wie tief – wahrscheinlich besser so. Wayan geht schon voraus und am Ende streckt er mir die Hand entgegen um auch das letzte schwierige Teilstück meistern zu können. Ich bin froh, habe ich es problemlos geschafft.
Kleiner, aber glimpflicher Sturz
Wir müssen später immer wieder über kleinere, 1-2 m hohe Felsen klettern. Da passiert es schon, ich verliere den Halt mit den Händen, falle auf den Rücken und rutsche noch ein paar Meter den Hang hinunter. Mein Rucksack funktioniert aber als «Airbag», sodass ich keine Verletzung erleide. Wayan ist sehr besorgt, ob mir wirklich nichts passiert ist und für die paar erlittenen Kratzer und Abschürfungen hat er eine Salbe bereit zur Anwendung.
Der Aufstieg wird immer steiler und weiter oben lassen wir die Vegetation hinter uns. Wir steigen weiter über Lavagestein, teilweise rutschig und mühsam zu gehen. Langsam kommt die Dämmerung und wir beginnen die Umrisse besser zu sehen. Das letzte Teilstück bis zur Krete ist extrem steil.
Es sind nur noch, sanft ansteigend, rund 200 m bis zum Gipfel. Dann, es ist 05.45 Uhr und wir haben es nach 4h45min geschafft und sind auf 3142 m.ü.M. Es ist kalt, nur ca. 9° C (an der Küste über 30°) und es geht ein kalter Wind. Ich fotografiere ohne Handschuhe, muss diese aber bald wieder fürs Aufwärmen anziehen.
Dann kommt der Hammer: keine 10 Minuten sind wir oben und schon fängt es an zu regnen – dabei will ich doch den Sonnenaufgang sehen. Ich trage ohnehin schon eine Windjacke, aber Wayan gibt mir noch eine zusätzliche.
So sitzen wir auf dem Gipfel, enttäuscht, frierend und eingepackt, die Kapuze übergestülpt und warten in der Hoffnung, dass für den Abstieg der Regen aufhören wird.
Aber schon nach einer Viertelstunde ist der Spuk vorbei. Wayan kniet nieder und verrichtet noch Gebete (Mt. Agung ist für die Balinesen ein heiliger Berg) und packt dann ein für diese Verhältnisse reichhaltiges «Gipfel-Frühstück» aus, das er mitgeschleppt hat. Unsere Stimmung hellt sich auf und dies tut auch der Himmel.
Unglaubliches Wolken-Schauspiel auf dem Gipfel
Dann plötzlich, die Regenwolken verflüchtigen sich, riesige Quellwolken beginnen sich aufzutürmen, es weht ein starker Wind und das Bild ändert sich ständig. Auch kommt zwischendurch immer wieder Nebel auf und verhüllt den Gipfel in ein Nichts, nach ca. 30 Sekunden ist er schon wieder verschwunden. Die Sonne können wir hinter verschiedenen Wolkengebilden durch das grelle Licht erahnen, ohne sie aber zu sehen. Aber dies ist zweitrangig geworden, denn wir sehen auch, wie sich das Meer vor der Südküste rot färbt und die verschiedenen Farben der Wolken kann man schon gar nicht mehr zählen. Die Wolkenformationen ändern sich in Sekundenbruchteilen, einfach unfassbar.
Wir – sonst kein anderer Mensch auf dem Gipfel – erstarren fast vor Ehrfurcht, ein solches Spektakel erleben zu dürfen.
Etwas nach sieben Uhr verlassen wir diesen magischen Ort und machen uns auf zum Abstieg. Auf der Krete geht es links die Steilwand hinunter. Ich erschrecke über die Steilheit und frage Wayan, ob wir wirklich hier hinuntergehen müssen. Ja natürlich, wir seien ja auch hier heraufgekommen und schaffen es auch hinunter.
Vorsichtig versuchen wir im Lava Geröll einen festen Halt zu finden, auch mit Hilfe eines Stockes (mit 2 Stöcken wäre es unmöglich gewesen den Berg zu besteigen), aber es ist heimtückisches Gelände und bis wir wieder bei der Baumgrenze angekommen sind, lande ich nach kurzen Rutschpartien mindestens viermal hart auf dem Hintern, aber ohne negative Konsequenzen. Zurück auf dem guten Pfad kommen wir zügig voran und sind bald wieder unten beim Tempel.
Kurz davor machen wir noch einen kurzen Halt und Wayan möchte gerne wissen wie alt ich bin. Mit der Antwort konfrontiert, meint er nur, dass er dies nicht glauben kann, denn ein Balinese in diesem Alter schafft es nie oder lebt gar nicht mehr. Und um ehrlich zu sein, habe er auch nicht damit gerechnet, mit mir bis zum Gipfel zu gelangen! Somit ist mir auch klar geworden, wieso er am Anfang des Aufstiegs immer wieder eine Pause einschalten wollte.
Ein einschneidendes Erlebnis, diese Herausforderung gemeistert zu haben und dabei ein einmaliges, faszinierendes Naturphänomen beobachten zu können.
Meine 2. nächtliche Besteigung 2014
Ich plane wieder eine Reise nach Bali und möchte dabei den Agung ein zweites Mal besteigen.
Für die Nacht der Besteigung holt mich ein Fahrer von Wayan im Ashram ab und starten schon kurz nach 00.45h vom Pura Pasar Agung Tempel .
Wir kommen zügig voran und sind kurz nach 05.15h auf dem Gipfel. Es ist nicht kalt wie bei der 1. Besteigung, es regnet nicht, aber der Himmel ist stark bewölkt, also keine guten Aussichten, den direkten Sonnenaufgang – aus dem Meer – zu sehen.
Aber was wir nun erleben ist einmalig:
Wir zwei stehen mutterseelenallein auf dem schmalen Gipfel
auf 3142 m,
kein anderer Mensch, kein Laut, nur Stille,
nur Dunkelheit um uns,
wir stehen schweigend da und geniessen diesen magischen,
erhabenen und eindrücklichen Moment.
Wir fühlen uns wie eine Gottheit, die über Bali wacht und sie
in den nächsten Minuten zum Leben erwecken wird.
Und tatsächlich, dank 360° Rundsicht, erkennen wir unter uns und in der Ferne, wie nach und nach die Lichter in den Dörfern angehen und der Tag langsam beginnt, währenddem sich in diesen Minuten das Meer durch die nur schwach durch die Wolken dringenden Sonnenstrahlen in verschiedensten Farben präsentiert.
Es ist ein einmaliges, unvergessliches Erlebnis. Nur ungern verlasse ich diesen Ort, der sich tief in meiner Erinnerung eingeprägt hat.
Erst nach Sonnenaufgang kommt noch eine Gruppe junger Javanesen*innen zu uns auf den Gipfel, nachdem sie auf einem kleinen Nebengipfel auf der gegenüberliegenden Seite das Schauspiel erlebt haben. Für das Gipfelgebet ziehen sich die Javanesinnen entsprechend dem Anlass um und stehen barfuss auf dem Gipfel!
Nach den Lavafeldern beim Abstieg wieder im dichten Dschungel, dann wieder zurück beim Tempel und Fahrt zurück zum Ashram. Ich verspüre eine angenehme Müdigkeit und stolz, diesen herausfordernden Vulkan zum zweiten Mal bestiegen zu haben.