Sretenskiy Monastery, Moskau, 2019
Ich war sehr interessiert, einer feierlichen russisch-orthodoxen Messe beizuwohnen. Vor über 20 Jahren hatte ich in St. Petersburg Gelegenheit, an einem Sonntagmorgen in der Kathedrale einen kurzen aber eindrücklichen Einblick in die Zeremonien mit eindrücklichen Gesängen zu erhalten.
Aus Anlass meines Zero-G Fluges bin ich über die Osterfeiertage in Moskau und möchte die Feierlichkeiten in der Osternacht (von Samstag auf Sonntag) miterleben.
Auf Empfehlung einer guten Freundin entscheide ich mich für dieses Mönchs-Kloster mit einem berühmten Mönchs-Chor. Sie rät mir, bereits um 22.00 Uhr dort zu sein, obwohl der Service erst um 23.00 Uhr beginnt, da ich sonst kaum mehr Platz finden werde.
An dieser Osternacht sind praktisch alle Kirchen in Moskau bis auf den letzten Platz gefüllt, da diese Feier noch fast wichtiger als die Mitternachtsmesse an Weihnachten ist. Zudem sei das Kloster die Lieblingskirche von Präsident Vladimir Putin.
Ich bin schon etwas vor 22.00 Uhr am Eingangstor, wo bereits einige Gläubige auf den Eintritt warten. Punkt 22 Uhr wird das Tor geöffnet und ich trete ein in den Vorplatz und bestaune die spezielle, wundervolle Architektur dieser Kirche.
In der unteren, kleineren Kapelle imponiert der Prunk, mache einige Fotos und gehe die Treppe hoch zum Hauptschiff, stehe unter der riesigen Kuppel und bin fasziniert von der Schönheit, den unzähligen Fresken und Ikonen, die die Wände und Säulen zieren.
Die Kirche beginnt sich langsam zu füllen und ich sehe, mit welcher Hingabe die Gläubigen den Heiligen in den Ikonen huldigen, sich gross und ausdehnend bekreuzigen und niederknien.
Um 23.00 Uhr beginnt die Messe, die Gläubigen stehen dicht an dicht und lauschen den ersten langen Gebeten. Die russisch-orthodoxen Kirchen verfügen über keine Sitzbänke, alle Menschen stehen und dies während Stunden, ob klein oder gross, ob jung oder alt. Für greise Leute gibt es ein paar wenige Stühle zum Sitzen. Zudem müssen alle weiblichen Personen ein Kopftuch tragen.
Durch meine frühe Ankunft stehe ich weit vorne am Ablauf der Zeremonien, mit viel Weihrauch werden die Gläubigen gesegnet und erfüllt die Luft in eine spezielle, mystische Atmosphäre. Viele Mönche in ihren weiss-schwarzen Kutten schreiten durch die Menge zum Altar. Es ist beeindruckend, wie aus voller Kehle gebetet und vor allem gesungen wird. Allen voran der berühmte Mönchs-Chor.
Neben mir steht ein Paar, das die Texte von einem iPad Mini mitsingt. Durch die hervorragende Akustik wird man durch die Gesänge und die weihraucherfüllte Luft in eine andere Welt entrückt, völlig losgelöst und frei von irdischen Gedanken und ohne Zeitgefühl. Es ist etwas vom Eindrücklichsten, das ich je in einer Kirche oder Kathedrale erlebt habe.
Irgendwann kommt trotzdem eine leichte Müdigkeit auf, habe ich doch die letzten 2 Tage mit dem ZeroG-Flug, einem Tagesflug nach Kaluga und einer langen Disco-Nacht am Vortag mit Freunden einiges an Energie liegengelassen.
Ich stelle auch fest, dass sich die Zeremonien irgendwie wiederholen und so schaue ich auf die Uhr und bin erstaunt, dass es schon 01.30 Uhr ist. Ich drehe mich um und will gehen. Die Leute schauen mich verwundert an, denn die meisten Gläubigen sollen bis gegen vier Uhr morgens bleiben. Ich muss mich direkt durch die Menschenmenge zwängen, auch die Treppe hinunter und zum Ausgang, alles bis auf den letzten möglichen Platz belegt. Endlich draussen, stelle ich fest, dass die Gebete und Gesänge mittels Lautsprecher nach draussen übertragen werden, damit all die Menschen, die drinnen keinen Platz mehr vorgefunden haben, wenigstens akustisch daran teilnehmen können.
Ein sehr eindrückliches und sehr bewegendes Erlebnis und ich bin froh und dankbar, habe ich mich entschieden, all dies erleben zu dürfen.