Von den Anfängen des Tourismus bis zur Gegenwart

Mongolei – im Land des Dschingis Khan

Ulan Bator / Mongolei 1968
Irkutsk – Baikalsee / Russland

Vorgeschichte
Wir schreiben das Jahr 1968 und es laufen die Vorbereitungen für Reisen an die Weltausstellung Expo 70 in Osaka, Japan. Eine mögliche Reisevariante ist über Russland-Sibirien. Ein Grund für diese Variante ist die Offerte der russischen Fluggesellschaft Aeroflot mit sensationell tiefem Flugtarif.

Ich werde beauftragt, die Variante „Russland-Sibirien“ zu rekognoszieren. Nebst Ostsibirien ist der Einbau der Mongolei eine allfällige Möglichkeit. Sie ist noch wenig bekannt und von Irkutsk in Sibirien erreichbar. Zudem liegt der tiefste See der Welt, der Baikalsee, unweit von Irkutsk.

Irkutsk in Sibirien
Nach einem über 3-stündigen Flug mit einer Tupolev-104A der Aeroflot für die 2’500 km von Khabarovsk lande ich am Mittag im sibirischen Irkutsk. Die Stadt liegt am Angara Fluss und rund 70 km vom südwestlichen Ende des Baikalsees.

Die kuriose Visa-Beschaffung für die Mongolei
In der Vorbereitung zur Reise stellt sich heraus, dass ich in ganz Europa keine Möglichkeit habe, das Visum für die Mongolei einzuholen. Von Seiten des russischen Konsulats gibt es weder Informationen noch irgendwelche Hilfe, weil es sie schlichtweg nicht interessiert. Auch mein Kollege Linus, Direktor von Kuoni Tokyo, informiert mich bei Ankunft, dass auch hier kein Visa eingeholt werden kann. So bleibt mir nur die Möglichkeit, es in Irkutsk zu versuchen.

Nach dem Einchecken im Hotel gilt mein erstes Ziel, die Visa-Beschaffung für die Mongolei zu organisieren. Der Concierge des Hotels informiert mich, dass ich zuerst den Konsul anrufen muss. Der instruiert mich, die Reise-Agentur in Ulan Bator anzurufen, ob es noch Platz hat für mich als Einzelreisenden!

Den Anruf muss ich in der Telefonzentrale des Hotels bestellen, wo ich darauf aufmerksam gemacht werde, dass es mehrere Stunden oder auch sogar Tage dauern kann, bis die Verbindung hergestellt sei. Also warte ich in der Hotelhalle und habe Glück, denn nach zwei Stunden steht die Verbindung und wie nicht anders zu erwarten, habe ich von der Agentur das OK. Von einem Massentourismus ist schon gar keine Rede und im Hotel sind auch kaum westliche Touristen auszumachen. Ich rufe den Konsul an und gebe ihm den positiven Bescheid durch.

Die zweite Überraschung ist, dass der Konsul anschliessend persönlich zu mir ins Hotel kommt, das Visa-Antragsformular mitbringt und wartet, bis ich es ausgefüllt und unterschrieben habe. Ich übergebe ihm meinen Reisepass mit zwei Fotos. Er geht zurück ins Konsulat und kommt nach drei Stunden wieder persönlich ins Hotel mit dem Pass und dem Visum! Daraufhin organisiere ich sofort meine Flüge nach Ulan Bator und fliege am nächsten Morgen in die Mongolei.

Mongolei – Ulan Bator
Es ist ein kurzer Flug, der mich am Morgen in einer Stunde nach Ulan Bator bringt. Die Stadt liegt zwischen grünen Hügeln in 1350 Meter Höhe am Fluss Tuul und am Fuß des 2256 Meter hohen Berges Bogd Khan Uul. Der heutige Name Ulaan Baatar bedeutet „Roter Held“.

Am Nachmittag lasse ich mir von einem dürftig englischsprechenden Lokalführer die wichtigsten touristischen Sehenswürdigkeiten zeigen. Auffallend sind die riesigen Plätze mit protzigen, sozialistischen Bauten, kaum Verkehr und wenig Leute unterwegs, obwohl die Stadt über 300’000 Einwohner zählen soll. Die meisten Leute tragen ihre traditionellen mongolischen Kleider und vermitteln dadurch eine spezielle Atmosphäre wie zur Zeit des Dschingis Khan.

Staatsbibliothek in Ulan Bator

Das Zentrum der Stadt ist der grosszügig dimensionierte Suchbaatar-Platz – auch Dschingis-Khan-Platz genannt, wo sich das Reiterdenkmal des mongolischen Nationalhelden General Suchbaatar befindet. Weitere markante Bauten sind das Parlamentsgebäude, das Rathaus, die Akademie der Wissenschaft, die Nationale Universität und die Staatsoper.

Suchbaatar-Platz mit Reiter-Denkmal

Die Staatsoper

Etwas ausserhalb der Stadt besuche ich das Gandan-Kloster und den Palast des Oberhaupts des tibetischen Buddhismus in der Mongolei, als dessen Sitz die Stadt auch einst gegründet wurde.

Gandantegchinlen-Kloster

Mönche im Gandan Kloster

Janreisig Tempel im Kloster Gandan

Eingangspforte zum Janreisig Tempel

Die typische mongolische Abgeschiedenheit und Einsamkeit in der hügeligen Umgebung erlebe ich auf einer Fahrt am nächsten Tag. Hin und wieder tauchen ein paar Jurten-Siedlungen auf oder wir begegnen ein paar Reitern mit ihren Herden.

Rückflug mit Verhaftung nach Ankunft in Irkutsk
Mit einer Antonov-Maschine der Air Mongol fliege ich am Morgen zurück. Ueber dem Baikalsee fasziniert mich der tolle Anblick und ich kann es nicht lassen, trotz Fotoverbot im Flugzeug heimlich ein paar Fotos zu knipsen. Der Klickton beim Auslöser aber verrät mich.

Nach der Landung wird die Passkontrolle an Bord erledigt und ein uniformierter Offizier, der eine Reihe vor mir auf der anderen Gangseite sitzt, spricht mit dem ebenfalls uniformierten Zollbeamten und zeigt auf mich. Oha lätz, denke ich, jetzt hat’s dich erwischt!

Ich muss an Bord bleiben bis alle Passagiere ausgestiegen sind und werde von der Polizei abgeführt – allerdings nicht in Handschellen, obwohl ich diese für 1-2 Std. als Test nicht abgeneigt gewesen wäre zu tragen! – und im Terminalgebäude folgt ein langes Verhör. Der Beamte sitzt ca. 4m vor mir hinter seinem grossen Pult, die Dolmetscherin links von mir, ebenfalls in gebührendem Abstand. Und so gehen die Fragen und Antworten im Dreieck hin und her. Die Forderung ist klar: ich muss den Film rausnehmen und dem Beamten übergeben. Ich erkläre ihm in überschwänglichen Worten den Grund meiner Reise und wolle Bilder mit nach Hause nehmen, um den westlichen Touristen zeigen zu können, welche faszinierenden Landschaften in diesem wunderbaren Land existieren. (!!) und sie dadurch Devisen ins Land bringen. Ich habe keine Chance, ihn zu überzeugen und umzustimmen.

Meine grosse Fototasche habe ich auf meinen Knien und den Deckel – allerdings unbeabsichtigt – so geöffnet, dass er nicht hineinsehen kann. Darin sind nämlich zwei Kameras – eine für Farbfilme und eine für Schwarzweiss. Da ich knapp an Filmmaterial sei, möchte er doch bewilligen, dass ich lediglich die Kamera öffne, damit die letzten Bilder belichtet und somit gelöscht sind. Er ist damit einverstanden, aber er weiss nicht, dass ich die schwarzweiss-Kamera geöffnet habe, wo ich eben erst einen neuen Film eingelegt habe und noch kein Bild darauf ist. Die Farbkamera mit dem Baikalsee-Foto aber habe ich „im Trockenen“.

Zudem gibt es noch eine Diskussion und einen Verweis, dass ich für diesen zweiten Aufenthalt in Irkutsk gar kein Visum habe. Durch den Abstecher nach der Mongolei stimmen die Daten nicht mehr mit den Angaben im Visum überein. Nach anderthalb Stunden werde ich wieder „freigelassen“ und fahre ins Hotel. Ich muss also nicht in ein Arbeitslager, da ich schon in Sibirien bin!

Das “Tragische” an der ganzen Geschichte ist der Umstand, dass nach dem Entwickeln des Films (damals noch keine Digitalkameras) die Fotos aus dem Flugzeug infolge der Lichtverhältnisse von schlechter Qualität sind. Das ganze Theater also für Nichts!

Irkutsk und der Baikal-See
Am Vormittag flaniere ich durch die Stadt und beobachte die Leute in ihrem Alltag.

Anstehen an einem Verpflegungsstand

Skeptische Blicke – was sucht denn dieser Mann hier?

Am Nachmittag lasse ich mir die Gelegenheit zu einem Ausflug zu diesem See nicht entgehen. Wir fahren mit dem Auto die rund 70 km bis zum See, oft entlang des Angara Flusses.

Dorf am Baikalsee

Da stehe ich nun, am Ufer des Baikalsees: Die Seele Sibiriens, mit 25 Millionen Jahjren der älteste und mit 1642 m der tiefste Süsswassersee der Welt, hat eine fast andächtige Ausstrahlung. Die Weite des Sees mit einer Wasseroberfläche von 31’492 km2, die Ruhe, nur der sanfte Wellenschlag ist zu hören.

Der Lokalführer erzählt von der Legende, dass auf dem Seegrund Eisenbahnwaggons voller Goldbarren aus der Zeit des Zaren liegen. Nur, wie kommen die in den Baikalsee? Man hätte im Winter Gleise über den zugefrorenen See gelegt (bevor die Eisenbahnlinie um den See gebaut wurde), aber dann seien die goldgefüllten Waggons im Eis eingebrochen und lägen seitdem in den unergründbaren Tiefen.

Baikal Museum an der Mündung des Angara in den Baikalsee

Die Rückreise geniessen wir an Bord eines Tragflügelbootes, das uns in berauschendem Tempo auf dem Angara Fluss nach Irkutsk zurückbringt.

Ueber Novosibirsk nach Moskau
Nach diesem aufregenden Aufenthalt in Irkutsk bin ich froh, am nächsten Morgen wieder weiterfliegen zu können. Nach einem Kurzaufenthalt in Novosibirsk lande ich in Moskau.

Moskau – schon wieder ein Verhör
Ich muss vorausschicken, dass für das Russland-Visum die zu besuchenden Städte und die genauen Daten für An- und Abreise angegeben werden muss. Beim seinerzeitigen Visumantrag habe ich die 2 Varianten mit und ohne Mongolei-Abstecher angegeben, was aber ignoriert wurde. Somit hatte ich ein Visum für lediglich eine Einreise, bin aber trotzdem abgereist. Dies erklärt auch, warum ich bei Ankunft in Irkutsk aus Ulan Bator kein Visum für Russland mehr hatte.

Bei der Passkontrolle schaut mich die Beamtin mit grimmigem Gesicht an, schaut wieder auf den Pass und das Visum, dann wieder mit noch kritischerem Blick zu mir und fragt mich, wieso ich erst heute komme – sie hätten mich vor 3 Tagen erwartet!! Sie bittet mich, nebenan zu warten. Wieder kommt ein Beamter, dem ich erst durch endlose Gänge folgen muss und hinein in ein Büro. Aber es ist nicht das „Verhör“-Büro, sondern es ist die einzige Möglichkeit, durch mindestens vier weitere Büros schlussendlich ins Büro des Chefs zu gelangen. In jedem Büro werde ich von den Angestellten mit einer derart misstrauischen Miene betrachtet, dass ich mich unweigerlich wie ein Verbrecher oder entlarvter Spion vorkomme.

Ich erkläre, dass der Besuch der Mongolei, für das ich erst in Irkutsk das Visum beschaffen konnte, der Grund meiner Verspätung ist, was schlussendlich akzeptiert wird. So habe ich auch dieses Verhör schadlos und ohne weitere Konsequenzen überstanden und werde vom Lokalführer der staatlichen Reiseorganisation Intourist ins Hotel Rossija am Roten Platz beim Kreml gefahren, einem Hotel übrigens mit über 3000 Betten!

Das Fazit dieser Reise
Aufgrund der enormen Schwierigkeiten für die Visa-Beschaffung ist es unmöglich, einen Aufenthalt im Rahmen der Reisen zur Expo70 in Osaka in der Mongolei einzuplanen. Meine gemachten Erfahrungen sind einmal mehr sehr wertvoll für diesen Entscheid.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *